Zu wienig, zu spät ... Wie dem auch sei, hier die übliche grotesk-verzerrte Darstellung. Hat übrigens Spaß gemacht, und gerne wieder.
Das Wienachtstreffen
Seit Wochen schon fiebere ich dem Treffen meines Lieblingsforums in Wien entgegen, das am einundzwanzigsten Dezember (wie die Wiener sagen: „Dämmer“) stattfindet. Ich habe extra nur hierfür ein Auslandssemester genommen. Wenige Tage vor dem Treffen erreicht mich jedoch die Nachricht, dass es ausfällt. Ist zwar doof, aber, na ja, dann gehe ich halt zum Treffen des BisaBoards. Auch nett.
Der Linienflug vom Studentenwohnheim zum Westbahnhof dauert vierzehneinhalb Stunden. Trotz Verspätung treffe ich schließlich überpünktlich und mit übelstem Jetlag zwanzig Minuten vor Elf (Beginn des Treffens) ein und nutze die Zeit, um schnell noch einen Geldautomaten zu finden. Eine kurze Zeit später stehe ich draußen und bediene mich eines alten Tricks zur Entdeckung von Usern: Immer nach Leuten Ausschau halten, die coolere Haarfarben haben als man selbst. Es dauert nicht lange, dass ich so die ersten vertrauten Gesichter erblicke.
Gemeinsam wartet man schließlich auf die anderen etwa 30 Besucher des Treffens, die alle pünktlich um Elf kommen wollen. Um Elf sind wir zu fünft, eine halbe Stunde später sind wir zu siebt, eine Stunde später zu zehnt, anderthalb Stunden später immer noch zu zehnt, und zwei Stunden später dann doch in etwa vollzählig. Nach vielen Begrüßungen kann es also losgehen, auf verschlungenen Pfaden mit der U-Bahn, die uns zu einem der zahlreichen Weihnachtsmärkte bringen soll. Wird man heute sogar dem Christkindl, Heldenfigur aller Kindheiten, in Person oder, wie die Lateinerin sagt, in fursona begegnen können? Alles scheint möglich. Im Übrigen ist alles gut bei mir, danke der Nachfrage.
Das Wetter am heutigen Tage ist typisch-traumhaftes Winterwetter, wie man es nur selten genießen kann: Es gießt wie aus Kübeln, was für eine angenehme Abkühlung in der warmen Winterkleidung sorgt. Da es nicht schneit, werden die Straßen auch nicht unnötig glatt und der Forenausflug somit nicht zur halsbrecherischen Angelegenheit. Beim Weihnachtsmarkt stellt man sich aufgrund der eigenen Weichlichkeit allerdings unter Schirme und trinkt warme Getränke mit nicht näher definiertem („zu wenig“) Alkoholgehalt. Gelegentlich isst jemand etwas und offenbart dabei natürlich tadellose Tischmanieren.
Doch verbirgt sich hinter dieser idyllischen Fassade nicht auch der Konflikt? Allgegenwärtig ist jedenfalls der Gegensatz der verfeindeten politischen Lager im BisaBoard: Da sind die einen, die das Forum seit jeher als ein Projekt der Eliten, als Unternehmen der herausragenden Individuen begreifen, und diejenigen, die in ihm mehr ein Mittel zur Geldwäsche sehen. Auch heute wird der Konflikt zwischen beiden Parteien nicht beigelegt werden. Stattdessen wird er vom Regen ertränkt. Im Übrigen ist alles gut bei mir, danke der Nachfrage.
Einigkeit besteht jedoch darin, dass man weiterhin auf „Weihnachts-“ bzw. „Christkindlmärkte“ gehen will. Von „Winter-“ oder „Geschenke-bringendes-Kind-Märkten“ will hier niemand etwas hören. Es ist ein Zeichen gegen die immer wieder beklagte politische Korrektheit, das mit Mut zur Tradition vorgebracht und durchgezogen wird.
Schließlich setzt man sich in ein Lokal, bei dem es sich vermutlich um eines dieser berühmten Wiener Kaffeehäuser handeln muss. Durch die hier geführten Diskussionen erfahre ich mehr über Strategie im Pokémonkampf, als mir der hierfür zuständige Forenbereich je hätte beibringen können. Besonders beeindrucken mich die Ausführungen eines Users zu Kubuin – so sehr, dass ich in der Nacht einen Alptraum bekomme, in der es mein ganzes Team mit seiner blöden Bauchtrommel-Dynamax-Dyna-Flut-Kombo sweept. Danke dafür! Des Weiteren erhalte ich endlich die Lösung für das Problem, dass Katapuldra schneller als mein Liebling Mewtu ist: Man muss Letzteres einfach nur im Bizarroraum spielen. Im Übrigen ist alles gut bei mir, danke der Nachfrage.
Schließlich geht es weiter ins Sägewerk, bei dem es sich überraschenderweise nicht um ein Lokal für Biber handelt, was ich zunächst etwas schade finde, weil Biber nun einmal echt niedliche Tiere sind. Es wurde für 30 Personen reserviert, wir sind 32, die Tische reichen eigentlich nur für 25. Ich klatsche bei der Bestellung alles Mögliche auf meine Pizza, was sich an vegetarischen Zutaten finden lässt – Kosten spielen heute keine Rolle, da natürlich alles aus den Werbegeldern des Forums bezahlt wird, von denen für diesen Monat allerdings nur noch drei Millionen übrig sind, da die restlichen fünfzig bereits in Gold und Bitcoins angelegt wurden. Aber für heute wird es noch reichen.
Man erzählt sich schließlich Flachwitze. Hier passiert mir der größte Fehler meines Lebens: Obwohl ich ein Glas Rotwein in der Hand halte, fällt es mir leider in dem Moment nicht ein, es mir auf die Stirn zu setzen und zu fragen, was ich bin (Antwort: Ein Weinhorn). Ich werde mir diesen fatalen Fauxpas niemals verzeihen.
Schließlich kommt der mieseste Moment des Abends für mich: Ich muss gehen, weil ich morgen früh raus muss. Es zerreißt mir das Herz, mich von den Bisafans wieder einmal auf unbestimmte Zeit verabschieden zu müssen, aber noch mehr ärgere ich mich, dass ich den weiteren Abend im berühmten Etablissement „Maxime“ verpasse, der ebenfalls durch Werbegelder finanziert worden wäre. Es ist schade, aber die frühe Zugfahrt am nächsten Tag verlangt ihre Opfer. Die Verabschiedungen dauern lange.
Auf dem Rückweg zum Wohnheim komme ich an mittlerweile für den heutigen Tag bereits stillgelegten Weihnachtsmärkten vorbei. Das Christkindl haben wir heute nicht getroffen. Vielleicht klappt es nächstes Jahr. Andererseits sollte das Treffen nächstes Jahr eher am 31. Oktober stattfinden, damit man ein geileres Wortspiel machen kann.
Kommentare 3
Webu Johnson
Ich hoffe, dass dir wenigstens die Zugfahrt durch das Werbegeld finanziert wurde. Alles andere würde mich enttäuschen :(
Sehr gelungener Artikel, musste mehrmals schmunzeln^^
Thrawn Autor
Schon, war aber nur zweite Klasse. Die sind hier alle total geizig geworden.
Webu Johnson
Ufff wie kann man nur so herzlos sein und das kurz vor Weihnachten :‘(