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Nun waren also die Krankenhäuser an Silvester doch vielerorts spürbar entlastet, und zumindest das dürfte ein Gewinn sein, quasi ein kleiner Hoffnungsschimmer, den man an jenem Horizont sieht, hinter dem die Vernunft der Deutschen im letzten Jahr offenbar frühzeitig untergegangen war. Dieser Hoffnungsschimmer wurde aber, wie könnte es auch anders sein, direkt wieder überschattet, führt man sich nur einmal vor Augen, dass trotz Entlastung von Krankenhäusern viele dann doch das taten, was sie vermutlich das ganze Jahr über zu tun pflegten, nämlich die Lücken in den Verboten suchen, und so griff man eben auf illegales oder vorzeitig irgendwo anders beschafftes Feuerwerk zurück, das man dann mit der gleichen Begeisterung und Ignoranz gegenüber den Konsequenzen abbrannte.


Von Ignoranz zu sprechen ist dabei mit Verlaub keine Beleidigung, sondern Aufstellung einer Tatsache, sieht man doch immer wieder die schlichte Leugnung des Umstands, dass Silvester die Krankenhäuser und das in ihnen arbeitende medizinische Personal belastet, obwohl der Zusammenhang zwischen landesweit abgefeuerten Spaßsprengsätzen und einer höheren Zahl von Notaufnahmenbesucher*innen nun so schwer zu verstehen nicht ist. Wer wenigstens über den Restanstand verfügt, simple Fakten anzuerkennen, der betont dann eben die Eigenverantwortung, da jemand, der sich verletze, nun einmal selbst schuld sei, und die Vernünftigen würden schon korrekt damit umgehen und dürften nicht „bestraft“ werden, wobei jene Vernünftigen die gleichen Leute sind, die bei einem Verkaufsverbot direkt über die Grenze tingeln und sich illegales, nicht zertifiziertes Zeugs kaufen, was einen zuallererst stutzig machen sollte. Indes ist diese Betonung der Eigenverantwortung grundsätzlich nicht verschieden von den idiotischen Argumenten der amerikanischen Waffenindustrie, nämlich, dass vernünftige Leute schon vernünftig mit ihren Knarren umgehen würden, und für diejenigen, die das nicht tun und lieber jeden Eindringling auf ihrem Grundstück erschießen (oder aber ihre Klassenkameraden in der Schule) könne man halt nichts, genauso wenig wie Feuerwerksindustrie oder Feuerwerkskonsument*innen etwas für die Leute könnten, die sich die Finger absprengen und die Silvesternacht für das medizinische Personal zu einer Hölle machen.


Dass in Ländern mit strengeren Waffengesetzen weniger und vor allem weniger heftige Schießereien stattfinden als in den USA, wird dabei übersehen, wie man auch schon in Deutschland dabei ist zu übersehen, dass die Krankenhäuser eben doch an einigen Orten merklich entlastet worden und Verletzungen zurückgegangen sind, während zugleich die Bereitschaft, schnell aufs Illegale zu wechseln, wohl kaum von „vernünftigen“ Konsument*innen zeugen kann. Man dürfte also nicht fehlgehen in der Annahme, dass hinter der deutschen Kritik an den amerikanischen Waffengesetzen und des Einflusses der Waffenlobby eben keine tatsächliche Einsicht in das Problem steckt, sondern vielmehr ein simpler Affekt, nämlich der alte Wunsch der Deutschen, sich über den Amerikaner, der sie in zwei Weltkriegen geschlagen hat, zu erheben, also der Wunsch, selbst wieder jemand zu sein – denn wer etwas sein will, muss zumindest mehr sein als die USA.


Dabei setzt sich eigentlich auch mit dem Trotz-Feuerwerk der Deutschen lediglich fort, was in den letzten Jahren auf andere Art begonnen hat: Das mehrfache Bestreben, das Deutsche wieder positiv zu besetzen, welches allen faden Beteuerungen der politischen Mitte zum Trotz eben nicht nur von der AfD ausging, mündete schließlich nicht nur in der noch relativ verkraftbaren Idiotie, stolz zu sein, sondern auch in dem blanken Wahn, der darin bestand, Stolz auch gerade deswegen zu empfinden, weil man jetzt eben wieder stolz sein könne. Entsprechend ist es nur konsequent, dass die Deutschen mittlerweile nicht nur Silvester mit Feuerwerk feiern, sondern sich auch noch im Nachhinein dafür feiern, es mit Feuerwerk gefeiert zu haben.


Bei all dem lese ich dann noch, dass man das Feuerwerk damit rechtfertigen will, dass es doch ein schöner Abschluss gerade für diejenigen sei, die ihre Existenzen während des Jahres verloren haben, und während man daran natürlich erst einmal kritisieren kann, dass Ablenkung vom Elend am Elend nichts ändert, es vielmehr noch stabilisiert, so ist der entscheidendere Punkt natürlich, dass jemand, der seine Existenz verloren hat, meist nicht dazu tendiert, das knapp gewordene Geld für Feuerwerk auszugeben. In diesem Scheinargument verbirgt sich aber gerade deswegen auch etwas Wahres, nämlich der Blick der sozial Privilegierten, denen das im letzten Satz Erwähnte natürlich nicht in den Sinn kommt; diese Perspektive zeigt sich dann nur umso deutlicher, wenn man sich das „Argument“ ins Gedächtnis ruft, die treibenden Kräfte hinter einem Verbot seien lediglich neidisch. Insofern würde es beim Feuerwerk letzten Endes also gar nicht so stark um Ästhetik oder persönliche emotionale Bezüge gehen, sondern – mal wieder – um den möglichen Verlust eines Privilegs, das man sich natürlich gerade nicht von den Leuten wegnehmen lassen will, die es sich nicht leisten können.


Für so viel Ehrlichkeit möchte man fast dankbar sein.