Flüchtlingsthema: Alles wie gehabt

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Dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, war das Diktum des konservativen Kanzlerkandidaten, kaum dass Afghanistan von den Taliban überrannt worden war, und wie es nun gemeint war, da scheiden sich die Geister; die einen formulieren, es sei als weitestgehende Absage an die Aufnahme von Flüchtlingen zu verstehen – was es vielleicht auch war – , die anderen, es ginge lediglich darum, vergangene Fehler nicht zu wiederholen – was ebenfalls sein könnte, und doch stehen die Zeichen schon wieder darauf, dass Europa sich abschotten und mithin zumindest seine humanitären Fehler wiederholen wird.


Indes natürlich hat sich 2015 schon längst in anderer Hinsicht wiederholt, sofern man denn von einer Wiederholung sprechen möchte bei etwas, das eigentlich kontinuierlich seit Jahren besteht, und das sind die üblichen mehr oder weniger latent flüchtlingsfeindlichen Narrative, wie sie auch hier im Forum vorkamen und eben immer noch bzw. wieder vorkommen. Die Flüchtlinge sind noch gar nicht unterwegs, wobei es schon die ersten Massenhinrichtungen gibt, die EU ist wie gesagt schon dabei, sich abzuschotten und im Angesicht all dessen halten es zwei sich sonst (bisher einzige Ausnahme war hier das Thema Übergewicht) spinnefeinde Mitglieder des Forums für das derzeit wichtigste Projekt, im Flüchtlingsthema die Inkompatibilität von Kulturen zu beschwören und die Angst davor, dass wir es bald mit noch mehr radikalen Leuten zu tun bekommen, denn unsere Nazis und Konservativen seien uns ja schon Problem und Bedrohung genug. Aufgrund dieser Befürchtung stehe mensch da irgendwie „zwischen den Stühlen“, und welcher Platz zwischen denen, die das Asylrecht befürworten, und denen, die es ablehnen, noch bleiben soll, darf munter gerätselt werden, da es ein Drittes bekanntlich nicht gibt.


Die Antwort, und ich könnte müde werden, es vermutlich zum hundertsten Mal zu schreiben, liegt natürlich hier wie immer darin, dass Antisemitismus wie Queerfeindlichkeit natürlich beschissen sind und ich ihre Existenz auch bei Flüchtlingen – sofern vorhanden, schließlich ist das eine individuelle Frage – nicht leugne, es aber eben auch bei der Betonung des Asylrechts nicht darum geht, zu behaupten, sie seien in Ordnung. Vielmehr, und trotz komplexer Sachlage ist dies nun wirklich nicht so kompliziert, ist es entscheidend, im Angesicht von eventuellen Ressentiments (nicht jeder Flüchtling hat sie) die Gewährleistung des Asylrechts mit besagte Ressentiments bekämpfenden Maßnahmen zu verbinden. In diesem Kontext schreibt ein dritter User in die Diskussion, dass viele da unten ja nicht einmal wüssten, was ein Jude sei, und das ist natürlich Quatsch, oder, etwas wohlwollender, das Stilmittel der Übertreibung; nichtsdestoweniger ist es so, dass in Bezug auf die afghanische Bevölkerung von einem beträchtlichen Informationsdefizit ausgegangen wird, wenn es um Antisemitismus und den Holocaust geht, und das mag nun der Flüchtlingsgegner als Beweis ansehen, dass mit solchen Leuten nicht zusammenzuleben sei, wiewohl sich aber der stolze Deutsche die Frage stellen könnte, welches Land denn wohl besser dazu geeignet wäre, diese Bildungslücke zu füllen, als jener Staat, der den Holocaust zu verantworten sowie ein umfassendes Bildungsangebot über seine Geschichte aufgebaut hat und in dem es mittlerweile ja nun doch einige positive Beispiele für das Zusammenleben mit Juden (wie übrigens auch queeren Menschen) gibt, also anders ausgedrückt eine Lebenswelt mit doch eigentlich besten Bedingungen für Integration, Austausch und Abbau von Vorurteilen.


Die Antwort auf diese Frage wiederum lautet natürlich, dass der stolze Deutsche wie so oft irrt und das Land, in dem er lebt, selbst durch alle Bevölkerungsschichten hinweg auf die eine oder andere Art ebenso queerfeindlich wie antisemitisch ist und so gesehen die Angst vor dem klischeehaften radikalen Flüchtling, so er denn existiert, vielleicht gar nicht darin besteht, dass er nicht in die deutsche Gesellschaft passe, sondern vielmehr, dass er es nur zu gut täte. Darüber ließe sich natürlich wiederum reflektieren und der Abbau von eventuell – da es wie gesagt den Flüchtling nun einmal nicht gibt – vorhandenen Ressentiments nicht als Problem von Flüchtlingen, sondern als Problem der deutschen Gesellschaft allgemein begreifen, als deren Teil Flüchtlinge gelten könnten, wenn mensch sie denn ließe. Bedauerlicherweise wird das nicht passieren, jedenfalls nicht hier, und dann wird sich, nachdem mensch selbst das Narrativ der mit unserer Gesellschaft inkompatiblen Afghanen oder, allgemeiner, Muslimen bedient und dabei gesagt hat, dass diese Vorurteile ja schon irgendwie gerechtfertigt seien, am Ende wieder darüber gewundert, warum denn die gut integrierte Familie von nebenan auch einfach so abgeschoben wurde.1


Ja, woran liegt das wohl?



1Behauptet wurde außerdem, dass Straftäter*innen nicht abgeschoben würden, was aber schlicht falsch ist.

Kommentare 5

  • Habe tatsächlich laut aufgelacht. Hab Zeugen.

    Danke 1
  • Habe ich schon mal erwähnt, dass beim Durchlesen deiner Blogbeiträge sich bei mir jedes Mal ein wohltuendes Gefühl aufbaut und ich dabei sehr oft den Drang verspüre, diesen mit mehreren Danksagungen (wenns die Möglichkeit geben würde) zu versehen? Nein? Nun das habe dich wohl gerade eben nachgeholt. Vielen Dank auf jeden Fall für einen weiteren grandiosen Blogbeitrag!

    Danke 1
  • Wann heuerst du bei der taz als politischer Kommentator an?

    • Die sind mir nicht links genug.

    • Du musst ja nicht gleich die Firmenideologie unterschreiben.


      (Damit soll vor allem gesagt sein, dass der Artikel schreiberisch und hinsichtlich der Meinungsbegründung auf einem hohen Niveau ist und ich genau so etwas als Kommentar in einer Zeitung erwarten würde. Ob du das nun für ein Kompliment hältst, weiß ich nicht, aber es ist jedenfalls so gemeint.

      Danke 1