Für mehr Realismus in den Medien

Unser Autor hat letztens eine Meinung zu Squid Game gelesen, in der gesagt wurde, der Protagonist Gi-hun sei zu sehr ein Gutmensch, hingegen sei der mitunter manipulative und rücksichtslose Sang-woo ein guter und realistischer Charakter. Hier kann wohl nur zugestimmt werden: Geschichten, in denen Protagonist*innen für das Gute eintreten, sind langweilig und überbewertet. Höchste Zeit also, einige bekannte Medien einmal ohne Rücksicht auf Gefühle neu und innovativ zu denken.


Der Herr der Ringe

Stellt euch vor, irgend so ein alter Sack kommt an und will, dass ihr einen Ring in einem Vulkan einschmelzt, wobei ihr auf dem Weg mehrmals fast sterben werdet und es wahrscheinlich auch nicht zurückschafft. Würdet ihr es tun? Eben, da seht ihr es. Nur jemand vollkommen Verrücktes würde sich darauf einlassen. Dementsprechend wird vorgeschlagen, dass in einer Neuauflage von Tolkiens Klassiker der Hauptcharakter Frodo diesen Scheiß gar nicht erst mitmacht, sondern Gandalf sagt, dass er sich mal schön ins Knie ficken kann. Möglich wäre auch, dass Frodo den einen Ring einfach an einen gutgläubigen Deppen wie Sam weitergibt, der dann von den Nazgul abgefangen wird. Währenddessen kann Frodo es sich mit der Kohle seines Ziehvaters gut gehen lassen und Sams große Liebe Rosie aus dem Grünen Drachen vögeln. The End.


Star Wars Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter

Die ganze Geschichte von Luke Skywalker ist so fucking unrealistisch, dass es schwer zu sagen ist, wo hier angefangen werden soll. Aber im Zweifelsfall sollte es reichen, einfach das Ende anzuvisieren: Da steht Luke also seinem Vater gegenüber und hat ihn fast umgebracht, und der Imperator bietet ihm an, dass er gemeinsam mit ihm über das galaktische Imperium herrschen könnte. Ich sag’s noch einmal: Die Herrschaft über die gesamte Galaxis. Und was macht Luke? Wirft sein Lichtschwert weg und sagt, dass er das nicht will. Hallo?! Selbst wenn er den Imperator nicht leiden kann, warum bringt er ihn dann nicht stattdessen um? Wegen irgendeiner verblödeten Tugend wie Gewaltlosigkeit oder Pazifismus? Also bitte. Wenn so eine hässliche Fresse wie die des Imperators vor euch steht, dann bohrt jeder vernünftige Mensch sein Lichtschwert da mitten hinein, übernimmt die Herrschaft über das Imperium und lässt es sich im Anschluss einfach gut gehen. So und nicht anders sollte es in einem hoffentlich bald kommenden Retcon-Film auch ablaufen.


Star Trek

Das ganze Star-Trek-Universum basiert auf einem fundamentalen Fehler: Dass sich eine diskriminierungsfreie kommunistisch orientierte Gesellschaft erbauen ließe, in der Menschen nicht mehr nach Profit, sondern nur nach Selbstverwirklichung streben. Das ist vollkommen unrealistischer Blödsinn und daher muss die ganze Prämisse dieser utopischen Zukunft schon von vornerein umgekrempelt werden, was ein sehr drastischer Eingriff wäre – gäbe es nicht einen sehr einfachen easy fix mit bereits bestehender Verankerung im Star-Trek-Uni- bzw. Multiversum: Während alle früheren Serien einfach aus dem Kanon gestrichen werden können, sollten die neueren Instanzen des Franchise einfach immer das bisher nur in wenigen Folgen beleuchtete „Spiegeluniversum“ behandeln, eine Parallelwelt, in der die Menschheit den Weg des Faschismus eingeschlagen und alle anderen Planeten im Umkreis von wasweißichnichtwieviel Parsecs versklavt hat. Dadurch kann ein sehr viel realistischeres Bild der Zukunft gezeichnet werden, in der die Menschheit nichts gelernt hat und sich die Besatzung ständig gegenseitig umbringt, um an höhere Posten und Macht zu kommen – ein Spaß für die ganze Familie!


Momo

Ein freundlicher Verwalter der Zeit mit Stundenblumen, eine intelligente Schildkröte, die Buchstaben auf ihrem Namen schreiben kann, Graue Herren mit einem Zeitsparkassensystem, das dafür sorgt, dass die Zeit der Leute beim Sparen verschwindet, und schließlich auch etwas sehr Unrealistisches: Ein Mädchen macht sich selbstlos daran, das eben erwähnte Zeitsparkassensystem zu stürzen und den Leuten ihre verlorene Zeit zurückzugeben. Als ob irgendjemand glauben würde, dass ein obdachloses Mädchen diese Gelegenheit nicht für den eigenen Vorteil nutzen würde! Daher muss eine Neuauflage des Kinderbuchklassikers es sich zum Ziel setzen, dass Momo die Grauen Herren nicht aufhält, sondern vielmehr bei ihnen einsteigt, Secundus Minutius Hora verrät und somit die ultimative Kontrolle über Zeit und Fantasie erhält – mit anderen Worten, dass sie zum „Grauen Girlboss“ aufsteigt. Der positive Nebeneffekt: Kinder lernen durch Lektüre des überarbeiteten Werks die Wichtigkeit der Chancennutzung und dass ein Mensch nun einmal in erster Linie auf sich selbst achten muss.


Chihiros Reise ins Zauberland

An dieser Stelle ließe sich eigentlich über alle Ghibli-Filme etwas sagen, aber stellvertretend befassen wir uns nur mit dem unglaubwürdigsten Machwerk dieses Studios als aussagekräftigem Exemplum. Denn Chihiros Charakter ist total unrealistisch: Ständig opfert sie eigene Interessen dem Wohl anderer und als ihr angeboten wird, einen Haufen Gold zu bekommen, lehnt sie einfach ab und stopft dem Ohngesicht (und später auch Haku) sogar noch einen Teil jener Medizin ins Maul, die ihre Eltern befreien könnte! Das entspricht mal so gar nicht dem Homo oeconomicus, dem wir unsere moderne Gesellschaft mit all ihren Annehmlichkeiten verdanken. Deutlich realistischer und unterhaltsamer wäre es, wenn Chihiro Ohngesichts Gold annehmen und damit in der Badehausgesellschaft aufsteigen würde, bis sie selbst irgendwann die alte Hexe von ihrem Thron stößt und ihn übernimmt. Es ist eine Schande, dass wir statt einer solchen Aufstiegsgeschichte nur dieses kitschige zusammengeschusterte Etwas über Liebe, Freundschaft, den Wert von Hilfe und eine angebliche Toxizität von Arbeit in einem kapitalistischen System bekommen haben, die unseren Kindern irgendwelche Flausen in den Kopf setzt.



Das alles sind natürlich nur erste Beispiele – aber was meint ihr? Welche anderen Held*innen brauchen dringend ein Upgrade in Richtung mehr Realismus? Schreibt es uns in die Kommentare!

Kommentare 2

  • Also ich glaube auch ein guter Kandidat der mehr Realismus benötigt (und der auch perfekt zur jetzigen Zeit passt) wäre die Weihnachtsgeschichte aka A Christmas Carol. Ich meine ist euch nicht aufgefallen wie absurd die ganze Geschichte ist? Ein ehrgeiziger Geschäftsmann der sein Vermögen nur wohl überlegt ausgibt wird eines Abends von drei Hirngespenster heimgesucht und danach macht er auf magische Weise eine 180 Grad Wendung durch und wird zur Verkörperung der Mutter Theresa? Also ich weiß ich ja nicht was dieser Charles Dickens für nen Hasch zu sich genommen hat, aber das ist doch wieder so ein typisches Beispiel wo so ein dahergelaufener Gutmensch wieder mal die eigene Hauptfigur komplett out of character handeln lässt nur um die eigene politische Agenda einen aufzuzwingen. Wäre die Geschichte nur halbwegs realistisch, dann würde Ebenezer Scrooge sich doch nicht von solchen Halluzinationen manipulieren lassen. Nein er würde stattdessen treu zu sich selbst sein und standhaft zu seinen Idealen stehen. Denn Ebenezer Scrooge ist ein Mann der erkannt hat wie man wahrlich in unserer Gesellschaft vorankommt: In den man Abstriche in seinem Leben macht. In den man hauptsächlich an das eigene Wohl denkt und nicht die eigenen Gedanken an andere verschwendet. Immer das eigene Ziel vor Augen haben und nicht von solchen abstrusen Konzepten wie sozialen Ausgleich oder Nächstenliebe beirren lassen! Wisst ihr welche Verfilmung von A Christmas Carol da halbwegs nah an einer realistischen Umsetzung hinkommt? Tatsächlich das Christmas Special von Simsalabim Sabrina in der die Spellmans versucht haben Gem Stone eine Lektion zu erteilen, aber es hat tatsächlich dazu geführt, dass sie sich nur umso mehr in ihrer Lebensweise bestätigt gefühlt hat. Das ist doch mal ein logisches und nachvollziehbares Verhalten! Okay, natürlich mussten sie das Ende versauen indem sie Gem doch eine "moralische" Wendung ganz am Ende gegeben haben, aber hey man kann immerhin die letzten fünf Minuten gekonnt ignorieren indem man einfach rechtzeitig den Fernseher/PC ausschaltet!


    Indem Sinne: Ich wünsche euch allen einen fröhlichen Humbug ersten Weihnachstag und noch schöne Feiertage!

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  • Harald Töpfer hat seine Eltern verloren und blickt auf ein Millionenerbe zurück. Durch die Gründung von Potter Intelligence hätte er einen eigenen elitären Söldnertrupp organisieren können, welcher in seinem Namen für die Zerstörung seines Antagonisten gesorgt hätte. Aber zu seiner Verteidigung: An der seltsamen Waldorfschule namens Hogwarts wird ja kein BWL unterrichtet.


    Selbst dann hätte er aber noch den Business Deal seines Lebens annehmen können, als ihm bereits am Ende des ersten Schuljahres eine Beteiligung an der Voldemort Inc. angeboten wurde nebst etwaiger Benefits wie der Auferweckung seiner Eltern.

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