Über Arten von Humor, Teil 1: Das Mario-Maker-Troll-Level

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“

In dieser unregelmäßig und vielleicht nie wieder erscheinenden Reihe informiere ich andere Leute über Dinge, die ich halt irgendwie lustig finde. Wir starten mit der humoristischen Kunstform des Mario-Maker-Troll-Levels, die ich selbst nicht beherrsche, aber gelegentlich genieße.


Als Nintendo sich entschied, den Mario Maker herauszubringen – ein Spiel, in dem die Spieler*innen selbst Level bauen können und andere Spieler*innen diese dann spielen – war es natürlich absehbar, dass dabei sehr viel herauskommen würde, was weniger einem gut zusammengebauten Level als vielmehr einer digitalen Folterkammer gleicht: Level wurden zugekleistert mit Feinden, durch die kaum ein Durchkommen war, unsichtbare Blöcke wurden über Abgründen platziert („kaizo blocks“), sodass die Spielerfigur bei einem unvorsichtigen Sprung zwangsläufig in besagtem Abgrund endete und hinter Türen sowie am anderen Ende von Warp-Röhren verbarg sich oft nichts anderes als der sichere Tod.


Nur eine der Röhren tötet euch nicht - having fun yet? (Bildquelle)


Für diese Art von Level kristallisierte sich bald die Bezeichnung „hot garbage“ heraus, begleitet vom Alternativnamen „troll level“. Diese Level, so frustrierend sie für Spieler*innen auch sein mochten, hatten dennoch einen gewissen humoristischen Wert für diejenigen, die sie nicht selbst spielten, sondern anderen Leuten – Streamer*innen und YouTuber*innen – dabei zusahen, wie sie es taten. Furchtbar konstruierte Level waren nicht immer schön zu spielen, wohl aber lustig anzusehen, und zudem gingen sie immer mit dem kleinen Mysterium einher, ob ihr mieses Design nun wirklich Absicht oder schlicht das Ergebnis von Unfähigkeit war (oder sogar beides).


In gewisser Weise auch ganz lustig (Screenshot aus diesem Video)


Ebenso hatte es, auch wenn es für einige Leute frustrierend war, dennoch einen gewissen Reiz für andere, die versteckten Powerups, die richtige Tür oder aber den mehr oder weniger gut versteckten geheimen Ausgang („dev exit“) zu finden. Es lässt sich also nicht sagen, dass selbst diese auf den ersten Blick miesesten aller Level komplett ohne Unterhaltungswert wären; aber dennoch möchte ich nicht sie hier hervorheben, sondern das, was sich nach einiger Zeit aus ihnen entwickelte.

Mit der Zeit nämlich begannen die beiden Begriffe „hot garbage“ und „troll level“, die lange Zeit praktisch Synonyme waren, zu divergieren: Die erste Bezeichnung, „hot garbage“, blieb den miesen und frustrierenden Leveln vorbehalten, während die letztere sich mehr und mehr für eine neue Art von Leveln etablierte, die zwar immer noch in gewisser Weise „unfair“ waren, aber den Anspruch hatten, dies auf eine clevere, ausgefeilte und witzige Art zu sein. Dies war die Geburtsstunde des Troll-Levels im heutigen Verständnis, um die es hier nun im Weiteren gehen soll.


Ein derartiges Troll-Level zielte eben nicht mehr darauf ab, die Spieler*innen direkt mit 20 Koopas zu erschlagen oder ihnen aufzutragen, aus vier Türen diejenige herauszufinden, die sie nicht einfach direkt tötet. Vielmehr war das Ziel, die Spieler*innen mit ausgeklügelten Mechanismen in die Sicherheit zu wiegen, sie wüssten, was sie tun müssten, nur um sie dann auf eine unerwartete und oft witzig inszenierte Art zu töten. Die neuen Troll-Level waren also im Grunde nichts anderes als eine Aneinanderreihung gut ausgeklügelter und raffinierter Streiche, bei denen auch die Opfer – die Spieler*innen – am Ende selbst nicht anders konnten, als zu lachen und der Genialität der Streichespieler*innen Respekt zu zollen. Während Trolling im Internetjargon meistens bedeutet, sich effektiv auf Kosten anderer lustig zu machen, geht es im Troll-Level darum, dass sowohl die Designer*innen der Level als auch die Spieler*innen gleichermaßen Spaß haben (eine Art „Ethos“ der Community bildet dabei dieser Guide).


Dabei nehmen diese Troll-Level durchaus Elemente des „hot garbage“ auf, entwickeln sie aber weiter. In einem klassischen „schlechten“ Level etwa ist das oben bereits angedeutete „Pick a path“- bzw. „Pick a door“-Spiel ein beliebtes Element: Die spielende Person sieht sich mit einer Auswahl von vier Türen konfrontiert, von denen eine weiterführt und drei nur in den Tod führen. Eine Art Verfeinerung dieser Idee in den komplexeren Troll-Leveln ist es nun etwa, zwei mögliche Wege zu präsentieren und somit im Grunde eine 50:50-Chance einzubauen, aber gleichzeitig die Spieler*innen gezielt dazu zu bringen, genau die falsche zu nehmen, was meistens durch subtile Psychologie geschieht: Es kann zum Beispiel sein, dass einer dieser Wege erfordert, ein Power-Up zu bekommen (und dafür vielleicht einen Fragezeichenblock anzustoßen), während allerdings vorher im Level ein Power-Up zu erhalten (oder einen Fragezeichenblock anzustoßen) immer die falsche Lösung war. Spieler*innen, die auf die Art „konditioniert“ worden sind, würden diesen Weg als Folge eben eher meiden. Eine noch weiter gehende Entwicklung dieses Konzepts ist es, dass sogar beide Wege falsch sind und es einen dritten gibt, der wegen der Offensichtlichkeit der beiden anderen Wege nur nicht bemerkt wurde.


Welchen P-Switch würdet ihr betätigen? (Screenshot aus diesem Video)


Das Repertoire der Level-Designer*innen bleibt dabei aber natürlich nicht stehen und enthält mittlerweile so viele verschiedene Werkzeuge und Trollarten, dass sie gar nicht alle aufgezählt werden können. Beliebt ist beispielsweise der „CP1“, bei dem die Spieler*innen nach Erhalt des zweiten Checkpoints (in Mario Maker 2 sind nicht mehr als zwei Checkpoints möglich) wieder auf den Stand des ersten Checkpoints zurückgesetzt werden. Und das sogenannte „Twice Twice“ ist nicht einfach nur eine witzige Trollform, sondern geradezu ein Mindfuck: Es lässt die Spieler*innen einen Teil des Levels (oder sogar das ganze Level) zweimal durchspielen – nur dass beim zweiten Mal die Lösungen dann eben andere sind. Einige dieser „Twice Twice“-Level sind dabei auf raffinierte Art so verwirrend, dass die Spieler*innen kaum noch wissen, wo genau im Level sie nun eigentlich sind.


Damit die Troll-Erfahrung, welche naturgemäß sehr viel Trial & Error enthält, nicht zu frustrierend wird – wir erinnern uns, auch die Spielenden sollen Spaß haben –, ist es gerade bei nicht offensichtlichen Lösungen zum Weiterkommen oftmals guter Ton, dass die Level-Designer*innen Hinweise einbauen, die nach einem Scheitern den richtigen Weg andeuten. Außerdem werden Softlocks, die den kompletten Neustart des Levels notwendig machen, in der Regel vermieden. Tatsächlich hat sich aus dieser letzteren Regel selbst ein Element entwickelt, das in der Regel in keinem Troll-Level fehlt, nämlich ein „Anti-Softlock“. Bei einem Anti-Softlock wird di*er Spieler*in in eine Situation gebracht, die beinahe ein Softlock ist, aber eine Möglichkeit für die Spielfigur enthält, zu sterben – diese Möglichkeit wahrzunehmen ist allerdings dann meistens extra schwierig. Der Grund, warum Spieler*innen sich dann meistens abmühen, in einem solchen absurden Mechanismus zu sterben, liegt darin, dass ein Neustart des Levels (im Gegensatz zum Tod) den Verlust vorher gesammelter Checkpoints beinhaltet, sodass zu sterben trotz Schwierigkeit des Anti-Softlocks meist die bessere Option ist.


Sterben ist manchmal frustrierend (Screenshot aus diesem Video)


Es sollte dabei nicht überraschen, dass in diesen Troll-Leveln in der Regel sehr viel Arbeit steckt. Das Design eines Troll-Levels kann durchaus Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen, was neben den komplizierten Mechanismen und Kettenreaktionen, die dafür notwendig sind und nicht selten auf Glitches basieren, auch an der weiteren Gestaltung liegt, die meist witzige optische Kunst im Level selbst oder den Einsatz passender Musik und Geräuscheffekte enthält.


The Ban Men (Screenshot aus diesem Video)


Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, warum ich diese Troll-Level so sehr mag. Zum einen ist da die Tatsache, dass sie quasi wie Rätsellevel sind, in denen es Spaß machen kann, die richtige Lösung zu erraten. Weiterhin überraschen sie jedes Mal mit neuen Möglichkeiten, Spieler*innen zu trollen, und es ist einfach immer wieder beeindruckend zu sehen, was alles in Mario Maker (bzw. mittlerweile ja eigentlich Mario Maker 2) an Setups und Mechanismen möglich ist. Und nicht zu vergessen ist auch der Aspekt, dass um diese Level eine rege Community entstanden ist, in der auch erfahrene Level-Designer*innen Newcomer*innen bei der Erstellung ihrer Level helfen und Feedback geben – was nicht zuletzt auch eine gewisse Qualität sichern soll. Aber im Endeffekt bleibt als wichtigster Punkt wohl schlicht die simple Tatsache, dass sie es schaffen, mich auf kreative und stets überraschende Art zum Lachen zu bringen – und das wiederum würde ich gerne noch weiter erklären, aber leider geht das nicht, ohne bei wirklich gut ausgearbeiteten Trolls die Pointe vorweg zu nehmen, und das würde sie nur kaputt machen. Im Zweifelsfall würde ich also empfehlen, sich das bei Interesse einfach mal selbst anzusehen, wofür ich fürs Erste die Kanäle von Geek und Carlsagan42 nennen möchte.


P.S.: Troll-Level sind aber übrigens in der Regel so gebaut, dass sie nicht wirklich viel Skill erfordern – insofern mögen ja auch vielleicht weniger erfahrene Spieler*innen sie mal ausprobieren, wenn eine Switch und das Spiel vorhanden sind.



Quellen/Weiterführende Links