Secrai. 2022. Besuch auf der Frankfurter Buchmesse, ergänzt, herausgegeben und mit einer kritischen Einleitung versehen von Thrawn. BisaBoard: Kleinkünstler Verlag. 39,99 €.

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Secrai. 2022. Besuch auf der Frankfurter Buchmesse, ergänzt, herausgegeben und mit einer kritischen Einleitung versehen von Thrawn. BisaBoard: Kleinkünstler Verlag. 39,99 €.


Bewaffnete, Uniformierte und bewaffnete Uniformierte stürmen Thrawns Wohnung, zwingen ihn im Polizeigriff zu Boden und halten ihm einen Gewehrlauf an die Schläfe.

„Wir sind die Precht-Polizei!“, brüllt einer von ihnen. „Wo ist Secrai?!“

„Das weiß ich nicht!“, schreit Thrawn zurück. „Niemand weiß es! Der Typ ist ein Geist, Mann! Ich habe ihn noch nie gesehen!“

„Du lügst!“, blafft der Mann zurück. „Ihr wart auf der Buchmesse!“ Er schaut in die Kamera und sagt, etwas ruhiger: „Wisst ihr, das war nämlich so …“


Die Anfahrt mit dem Zug schien schon nichts Gutes zu verheißen: Neun Stunden Anfahrt, wenn auch aus komplett entgegengesetzten Richtungen. Thrawn trifft zudem, als er auf der Suche nach einem Sitzplatz durch den Erste-Klasse-Waggon geht, auf Richard David Precht, der gerade die anderen Leute damit nervt, dass die Medien ja heute alle überwiegend nur das Gleiche sagen würden und sich niemand mehr trauen würde, dagegen anzustinken. Thrawn geht rasch weiter, da er als Philosoph nicht mit Germanist*innen reden will.

Als Thrawn später an der Haltestelle der Buchmesse auf Secrai trifft, berichtet dieser ihm seltsamerweise, dass er ebenfalls Precht im Zug gesehen habe, damit beschäftigt, vor einer atomaren Eskalation des Kriegs in der Ukraine zu warnen und für die Kapitulation letzterer zu werben. Wie das sein kann, ist beiden unklar.


Eine der ersten Stationen auf der Buchmesse ist, natürlich, der Stand der Bundesregierung. Daran führt schlicht kein Weg vorbei – okay, eigentlich führen sogar mehrere Wege dran vorbei, aber ihr wisst schon, was gemeint ist. Jedenfalls findet dort ein tolles Event statt: Besucher*innen dürfen gegeneinander in einem Quiz antreten und tolle Preise gewinnen wie eine Tasse mit dem Logo der Bundesregierung oder einen Rucksack mit dem Logo der Bundesregierung, der mit eingebauter Garantie kommt, innerhalb von zwei Sekunden nach Verlassen des eigenen Hauses verprügelt zu werden. Ein Quizmaster mit Mikrophon moderiert durch die immer gleichen Fragen – ein überaus trauriger Job, der Mitleid erregt.

Natürlich treten auch Secrai und Thrawn gegen zwei andere Leute an und wählen unter allen möglichen Kategorien „Vermischtes“ aus.

„Erste Frage“, sagt der Quizmaster. „Welche Regierungsform hat Deutschland? A: Monarchie, B: Diktatur oder C: Demokratie?“

Thrawn buzzert, kaum dass der Mann zu Ende gesprochen hat. „Alles falsch, die Antwort ist Oligarchie!“

„Äh, nein“, sagt der Quizmaster.

Thrawn protestiert, zwar seien wir auf dem Papier eine Demokratie, aber angesichts der Verflechtung von Wirtschaft und Politik und des damit verbundenen schier grenzenlosen Einflusses von Unternehmen und Reichen könne doch wohl kaum die Rede davon sein, dass …

„Einen Punkt für das andere Team!“, überbrüllt der Quizmaster Thrawn, der wütend den Buzzer greift, ihn dem Quizmaster an den Kopf werfen will und dabei aus zwei Metern Entfernung fünf Meter daneben wirft.

Während Thrawn dem Sicherheitsdienst davonläuft, nutzt Secrai die Ablenkung, um mehrere Bundesregierungstassen in einen Bundesregierungsrucksack zu füllen und ebenfalls abzuhauen.


Secrai und Thrawn stehen vor einer Bühne, auf welcher der Fernseh„philosoph“ Richard David Precht einen Vortrag halten soll. Das Licht wird dunkel, die Scheinwerfer leuchten mittig auf den dunklen Vorhang. Dann plötzlich kommt eine hagere Gestalt zum Vorschein, ein Raunen geht durch die Menge, Precht steht da, hält sich das Mikrophon vor die Lippen und sagt, nachdem er hörbar nach Luft schnappte: „Die antifaschistisch-faschistische Antifa will mich canceln und niemand hört mir zu.“

Er lässt das Mikrophon fallen und verschwindet. Einen Augenblick später kehrt er zurück, hebt das Mikrophon auf und schreit: „ATOMKRIEG!“. Dabei hüpft er und schleudert das Mikrophon, ähnlich wie beim American Football, mit Wucht auf den Boden. Precht verlässt die Bühne.


Thrawn und Secrai gehen in der Halle herum, als auf einer Leinwand eine Werbung für die Bundeswehr anfängt zu laufen.

Eine sonore Stimme wurde über ein paar Videoclips gemischt und aus den Lautsprechen dröhnt es: „Haben auch Sie Lust auf einen Arbeitgeber, der Sie sofort kündigt und gegen Sie vehement juristisch vorgeht, sollten Sie sich in einem Missbrauchs- oder Vergewaltigungsfall an einen Ihrer Vorgesetzten wenden? Wollen auch Sie sich, ähnlich wie manche Reichsbürger, gratis und völlig ohne Konsequenzen, Waffen und Munition aus dem Lager als Souvenir mit nach Hause nehmen? Ach, und für Rassisten ist bei uns auch immer eine Stelle frei.“ Bei diesem Satz zwinkert ein adretter Mann in die Kamera. „Dann kommen Sie zur Bundeswehr!“ Das Video wird still und in der Menge entsteht ein Murmeln.

Secrai reibt sich über das Kinn und spricht eher zu sich als zu Thrawn: „Mhm, seltsam. Bundeswehrwerbung war früher doch zumindest etwas propagandistischer und hat was von Freude, Spaß und Kameradschaft geheuchelt.“ Erst jetzt fällt Secrai auf: Thrawn ist weg. Secrai beobachtet, wie in der Nähe der Leinwand eine in schwarz gekleidete Person langsam davonrobbt. Er erkennt in dieser Gestalt Thrawn und fragt diesen: „Was genau hast du da gemacht?“ Er steht auf und erwidert, während er dabei einen USB-Stick in die Höhe hält: „Ach, ich habe den Menschen einfach einen ehrlichen Werbespot gezeigt. Ähem, wir sollten übrigens gehen. Ich musste dafür einen Techniker K.O. schlagen.“


Bei einem anderen Verlag nimmt Thrawn ein Buch in die Hand, auf dessen Cover ein alter Mann in mittelalterlich anmutenden weißen Klamotten zu sehen ist. Er blättert herum; offenbar ist es das Konzept dieses Werks, das der auf dem Cover abgebildete Mann Fragen beantwortet, die ihm zugeschickt werden. Einem Mann aus Indien, der in absoluter Armut lebt, antwortet er, dass es ganz wichtig sei, zu lernen, Hilfe anzunehmen, diese werde dann auch sicher irgendwann kommen. Thrawn klappt das Buch zu und wendet sich an Secrai: „Dieser Mann hat echt gute Lösungen für die Probleme der Armen. Warum ist der nicht irgendwo an der Macht, dass er sie auch umsetzen kann?“

Secrai guckt kurz auf das Buch und sagt: „Thrawn, das ist der Papst.“


Die Beiden gehen am Stand der Bundesbank vorbei. Es sind Gewinnspielblätter auf Stehtischen ausgelegt. Diese kann man ausgefüllt in eine gläserne Urne schmeißen und erhält somit die Chance, einen Posten im Vorstand der Bundesbank zu gewinnen. Während Thrawn nahe der Urne damit beschäftigt ist, die Antworten der anderen Teilnehmenden abzuschreiben1, fängt Secrai mit einem der Mitarbeitenden der Bundesbank ein Gespräch an.

„Wissen Sie, wie man die Inflation am effektivsten bekämpfen kann?“ Er lehnt sich zum Mann vor und flüstert in sein Ohr: „Mehr Geld drucken.“

Der Mann guckt Secrai unentwegt an. Zornesröte steigt in des Mannes Gesicht, seine Nüstern beben, er zieht langsam eine schallgedämpfte Waffe aus seinem Sakkoinneren und will sie auf Secrai richten. Precht geht an dieser Szene vorbei, beobachtet sie, schüttelt den Kopf, sagt missbilligend: „Cancel Culture“ und verschwindet. Eine Frau im schwarzen Anzug und mit einer schwarzen Sonnenbrille kommt heran und murmelt dem bewaffneten Mann etwas ins Ohr. Dieser lässt die Waffe sinken.

Thrawn gesellt sich dazu und konstatiert: „Wissen Sie, der Finanzsektor sorgt mehr für Ärger als für Gutes.“ Der Mann kann sich nicht mehr zügeln, richtet die Waffe auf Thrawn und drückt ab. Der Schuss verfehlt ihn, weil die Frau den Lauf der Waffe, ähnlich wie in einem Actionfilm, nach oben drückte. Die Beiden fangen an zu laufen.


Das ganze Gerede über Geld hat Secrai auf eine Idee gebracht: Am Stand der Bundessprecher*innen knallt Secrai mit Elan eine 10€-Banknote auf den Tisch und sagt: „Ich möchte gerne einen Teil des Hamburger Hafens kaufen!“ Sein Angebot solle sofort dem Kanzler unterbreitet werden – offenbar suche der nach Käufer*innen, und Secrai sei doch bestimmt seriöser als ein menschenrechtsverachtender und autokratischer Einparteienstaat.

„Das stimmt“, antwortet eine Sprecherin, „aber Sie sind leider auch viel ärmer und weniger relevant für den Außenhandel, und das ist ja das, was erstlich zählt.“

„Hab’s dir gesagt“, kommt es klugscheißerisch von Thrawn.


Unsere tapferen Recken befinden sich im Buchmesse-Pavillon und möchten einer Diskussion zwischen einer Autorin und einem Kabarettisten zuhören. Die Vortragenden betreten die Bühne und eine kleine Frau geht an das Pult. Sie eröffnet die Rede. „Sehr geehrte Damen und Herren, heute beschäftigen wir uns … mit dem Ende des Kapitalismus!“ Dramatische Fanfaren im Hintergrund. Ein schockiertes Schweigen tritt ein, dann fängt ein Kind an zu weinen. Die Frau wird mit zerknülltem Papier beworfen, ein Stuhl fängt an zu brennen, Christian Linder fällt in Ohnmacht. Ein politischer Pressesprecher in blau-rot sagt: „So weit ist es also gekommen.“

Nach einem Moment kehrt wieder Ruhe ein. Christian Lindner rappelt sich langsam, sichtlich erschöpft, wieder auf.

Die Frau räuspert und korrigiert sich: „Das Ende des ausbeuterischen, planetar-destruktiven Kapitalismus!“

Sofort entfährt dem Finanzminister ein hoher Schrei, er fasst sich an die Brust und Lindner geht erneut zu Boden. Mistgabeln werden gezückt, ein Handgemenge entsteht, Precht steckt seinen Kopf in den Pavillon, lässt ein „Cancel Culture“ fallen und verschwindet wieder, so wie unsere Helden just in diesem Moment.

Thrawn und Secrai stehen vor dem Kaffeestand und diskutieren über Secrais NFTs. Ich verkaufe übrigens NFTS, wendet euch an Thrawn für weitere Informationen.

„Sooo, du verkaufst also NFTs?“, fragt Thrawn mit einem Stirnrunzeln und mit Zweifeln in der Stimme.

„Ja, genau.“

„Du weißt schon, dass diese Art von Ware ein Scam ist? Was beinhalten deine NFTs überhaupt?“

„Bilder von Markus Söder2 und Beiträge aus den Allgemeinen Diskussionen.“

Der Verkäufer hinter dem Stand brüllt disharmonisch: „Nächster!“ Thrawn und Secrai gehen nach vorne. Precht steht hinter ihnen und studiert die Preisliste. Er ruft: „WAS? Drei Euro für einen Kaffee??? Das ähnelt ja einem russischen Atomschlag!“

„Halt die Fresse, Precht“, entgegnet Thrawn genervt.


Secrai steht vor dem Signierstand von Sebastian Fitzek.

„Wissen Sie, was richtig gruselig wäre, Herr Fitzek?“, fragt Secrai.

Ohne eine Antwort abzuwarten, fährt er fort: „Die Darstellung eines Arbeitstages eines Amazon-Lagermitarbeiters.“

Ein Security-Mann führt Secrai ab und fordert auf, Secrai solle Herrn Fitzek in Frieden lassen.


Beim Riva-Verlag liegt auf einmal ein brenzliger Geruch in der Luft.

Man sieht vor einem der Regale wie Thrawn Wache hält, während Secrai damit beschäftigt ist, Bücher von Youtubern anzuzünden. Aus schier unerklärbaren Gründen wird ein Mitarbeiter des Verlages darauf aufmerksam, der elaborierte Gründe für diese Brandstiftung dargelegt haben will. Secrai entgegnet nur sowas wie: „Ich versuche diese Schandflecken zwischen den Buchdeckeln mit Feuer zu läutern, da sich chauvinistische, rassistische, steuerhinterziehende Menschen mithilfe von Ghostwritern als ‚Autoren‘ bezeichnen können, ohne, dass irgendjemand dagegen was unternimmt! Außerdem steht vor dem Regal mit den Büchern von Merz, Spahn, Sarrazin und Shapiro schon Denis Scheck mit seiner Aluminium-Mülltonne und pfeffert diese Bücher getreu dem Motto: „Gleiches gesellt sich gerne zu Gleichem“ in diese.“

Der Angestellte blickt nervös nach links und rechts und beschließt, da die Luft rein ist, Secrai zu helfen.


Nach einem anstrengenden Tag verlassen Thrawn und Secrai das Messegelände und stehen anschließend vorm Bahnhof. Thrawn fängt an zu sprechen, während Secrai sich leicht abwendet, um in seinem Rucksack zu kramen: „Ich mag dich ja schon irgendwie. Du hast zwar hin und wieder nur Scheiße im Kopf, aber gleichzeitig auch so eine liebenswerte Ar … WAS ZUM FICK MACHST DU DA?“ Er sieht Secrai an, der einen gerollten Schein in der linken Nasenhöhle hat. Das Ende des Scheines steckt in einem kleinen weißen pulvrigen Berg auf Secrais Handfläche. „Was? Ich will mich nur an diese Stadt anpassen.“


Und wenn er nicht gecancelt wurde, brüllt Precht irgendwo immer noch „Cancel Culture“.



1Das hat der wirklich gemacht. (Anmerkung von S.)

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