Saure Milch

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„To the well-organized mind, spoiled milk is but the next great adventure.”

-Saruman Dalfendore, der Weiße Zauberer von Balenciaga


Wer kennt das nicht: Man ist in der Grundschule, kümmert sich um seinen eigenen Kram, als auf einmal die Klingel die Kleine Pause einläutet. Die Schulwärtin stürmt herein mit einem großen Getränkegebinde. Darin unzählige kleine Pappbecher mit Aludeckeln und darin wiederum wahlweise Apfelsaft, Kakao oder Vollmilch. Als Connaisseuse meines Zeichens missfielen mir schon damals unnötige Geschmackszusätze, die lediglich die Minderwertigkeit der dargebrachten Getränke kaschieren sollten. Ja, ich vergnügte mich viel lieber mit den feinen, raffinierten Freuden des Genusses, und so kam es, dass ich eigentlich als einzige Person die Vollmilch und nicht Kakao oder Apfelsaft getrunken hab. Doch an jenem Tag wollte ich nicht im Eck stehend Milch süffeln. Ich wollte spielen, toben, die Welt entdecken! So verstaute ich das Milchpäckchen fachgerecht im Seitenfach meines Schulranzens für den späteren Verzehr.


Wie ihr euch sicher schon denken könnt, kam der Zeitpunkt des verzögerten Konsums aber nicht. Viel eher begann mit jedem Tage, der ins Land zog, ein immer heller leuchtendes Schild auf meinem Ranzen zu leuchten: „Schubs mich nicht, ich hab Joghurt im Rucksack.“ Aber wenn es doch nur Joghurt gewesen wäre. Irgendein minderbemittelter Drittklässler hat auch zu diesem Zeitpunkt noch keine Lesekompetenz aufgebaut und ignorierte die Warnung schlichtweg. Ungeschick rammte er in meine Flanke – und somit die Seite des Rucksacks. Erst daheim fiel mir das unfassbar eigentümliche Aroma auf, das von meinem Ranzen ausging. Vielleicht sind sogar noch ein paar Tage seitdem vergangen. Ein seltsam weiß-gräulicher Schleier zeichnete sich allmählich dort ab, wo ich – wie konnte ich es nur vergessen – die Milch deponiert hatte! Des Weiteren hat sich dort eine Ameisenkolonie eingenistet, die sich an den Früchten meiner Schussligkeit labte. Meine Mutter bekam natürlich einen Anfall, hielt mir eine Standpauke und tränkte den Rucksack nach gründlicher Reinigung in Raumerfrischungsduft, da das eigentümliche Aroma immer noch nicht verflogen ja. Oh, was war das nur für ein seltsames Aroma…


Heute, 12. April (alles Gute, Jakkin), wollte ich eine wunderbare Marzipan-Trinkschokolade der Marke Niederegger zubereiten. Im Kühlschrank befand sich noch eine volle, unangebrochene Packung Vollmilch. Beste Voraussetzungen also! Beim Ergreifen ebendieser fiel mir jedoch augenblicklich das Mahnmal der Zeit ins Auge: Mindesthaltbarkeitsdatum 20. März. Na gut, denke ich. Die Packung ist versiegelt, der Inhalt nach kurzem Schütteln eindeutig flüssig. Ich öffne die Packung, es folgt die Geruchsprobe. Verdächtig unauffällig. Scheinbar habe ich Glück. Auch beim Einfüllen in die großen Tassen fällt nichts Ungewöhnliches auf: keine fortgeschrittene Viskosität, keine Bröckchenbildung. Lediglich der Farbton lässt vermuten, dass ich versehentlich zur Sojamilch gegriffen haben könnte. Nach dem Ausgießen verbleiben bloß zwei Schlucke in der Packung. Die aufzuheben lohnt an der Stelle wirklich nicht, da diese Milch mit ihrem Alter beim bloßen Anblick zu kippen droht. Ich nehme also beherzt einen Schluck aus der Tasse, um rasch nachzufüllen. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen.


Wo sich Frischmilch für gewöhnlich durch ihren klaren, frischen Geschmack und die leichte Süße auszeichnet, ist von diesen Komponenten nichts mehr zu vernehmen. Viel eher trifft mich ein dumpfes Aroma, eine zittrige Herbe – ein Geschmack, den ich mit der Farbe Orange vergleichen würde, wo herkömmliche Milch Hellblau bis Mintgrün daherkommt. Nein, das schluck ich nicht runter. Nachdem ich den üblen Trank ausspie, setzte die beißende Säure zu einem Mundgefühl an, als habe man sich gerade pflichtbewusst erbrochen. Und da ist es: Dieses säuerliche, eigentümliche, alles einnehmende Aroma, das ich zuletzt vor 20 Jahren vernommen habe. Die saure, ranzende Milch in all ihrer Pracht. Diese schale Säure, dieses dumpfe Aroma von modrigem Mauerwerk. Wäre es nicht so widerlich, überkäme mich glatt die Nostalgie. Nun, augenscheinlich hat sie das auch, denn sie hat mich zu diesem Essay bewegt.


Ungenießbar war die Scheiße. Gebe supersweete 1,6/10 Gourmetpunkten.

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