Stell dir vor, es ist Japan-Tag und einer geht hin

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1,1% der Düsseldorfer Bevölkerung sind Japaner*innen – für manche ein Grund, die Zuwanderung sofort zu begrenzen, um „einem Aussterben des deutschen Volkes“ entgegenzuwirken, für den Rest hingegen ein Anlass, einmal im Jahr die deutsch-japanische Verbindung zu feiern, so auch heute oder vielleicht je nach Erscheinen des Artikels auch gestern.


Meine Anfahrt zum Japan-Tag mit dem Boot dauert planmäßig fünfeinhalb Stunden. Der Zug wäre vielleicht schneller, aber es ist immer sehr soulcrushing, die mit jeder Haltestelle verzweifelter werdenden Durchsagen des Zugpersonals zu hören, dass doch bitte, bitte die Türen freigemacht werden sollen, damit sie schließen und wir alle endlich weiterfahren können. Kaum, dass ich das Wasserfahrzeug betreten habe, meldet mein Nerdgehirn eine Pseudo-Vergiftung, ich werde seekrank und muss kotzen. Eine halbe Stunde später kommen wir schließlich am Hauptbahnhof auf Gleis 4 an.


Der Japan-Tag ist nicht nur ein japanisches Begegnungsfest, sondern auch ein Tag der Ruhe und Entschleunigung, sich darin äußernd, dass alle Menschen enervierend langsam gehen und es somit zu großen Ansammlungen kommt. Wer in der Menschenmasse eine Panikattacke kriegt und schnell aus der Traube raus will, ist am Arsch. So dauert es eine halbe Stunde, bis ich den Hauptbahnhof verlassen kann.


Draußen muss schnell festgestellt werden: Der Japan-Tag ist nicht überall, denn er ist räumlich begrenzt. Hauptsächlich spielt er sich an der Rheinuferpromenade ab, die am besten erreicht werden kann, in dem mensch sich im Strom der Artgenossen treiben lässt – so lässt sich das Ziel innerhalb von zehn, maximal fünfzehn Minuten erreichen.


Eine halbe Stunde später erreiche ich folglich die Rheinuferpromenade. Hier gibt es japanische Kultur satt – für alle, die zwei Stunden irgendwo anstehen können und keine Angst vor Menschen haben. Das Samurai-Heerlager, das ich nach einer halben Stunde betreten kann, verspricht einen Ausblick in die kämpferischen Traditionen des feudalen Japans, mit einer Ausnahme, wie ein hinter mir stehender Japanexperte mit Elon-Musk-T-Shirt zu berichten weiß: „Dass da eine Frau mit dem Bogen schießt, wäre damals nicht passiert – Frauen durften so etwas gar nicht, das ist auch heute überhaupt nicht akzeptiert.“ Denn tatsächlich habe es im feudalen Japan gar keine Frauen gegeben, oder vielmehr war das eben noch eine Zeit und ein Land, in der bzw. dem Männer noch Männer waren und Frauen wie Nichtbinäre ebenfalls.


Nachdem ich bei einem deutschen Händler einen echten japanischen Kimono made in Taiwan (bald „Made in China“) erstanden habe, schlendere ich ein wenig über die Rheinuferpromenade und halte Ausschau nach interessanten Cosplays. Viele bekannte und beliebte Charaktere aus der japanischen Popkultur sind vertreten, darunter T0-B1, dreihundertundsieben Sakura Harunos und natürlich auch die ein oder andere Harley Quinn. Das Gemecker eines alten Ehepaares, die mit Blick auf diverse Cosplays sagen, dass wir „uns jeden Tag weiter von Gott entfernen“ würden, kann ich nur als schnell entkräftet bezeichnen: Eine dichte Menschentraube hat sich um einen Jesus-Darsteller gebildet. Nirgendwo sind wir Gott so nahe wie auf dem Japan-Tag.


Nach einer halben Stunde bekomme ich erwartungsgemäß im Gedränge eine Panikattacke und versuche mich aus der Masse an Cosplayer*innen freizukämpfen. Nachdem ich einem Kokowei in die Nüsse getreten und einen Darth Maul geheadbuttet habe, wobei mein drittes Auge beschädigt wird, ringen mich diverse Leute in Polizei-Cosplays nieder und werfen mich für drei Tage in Präventionshaft.


Eine halbe Stunde später schaue ich mir eine Präsentation der hohen Kampfkunst des Kendō auf der dafür vorgesehenen Bühne an. Eine Frau neben mir beklagt sich, dass es zu choreografiert und eben kein richtiger Kampf sei. Auch ich hätte gerne gesehen, wie Arme abgetrennt, Schlagadern aufgeschlitzt und Gedärme auf dem Boden verteilt werden, aber leider passiert das nicht.


Um meiner Enttäuschung Luft zu machen, gehe ich in das Keramikmuseum und bewundere die – unironisch wirklich beeindruckende – Kunst von Naomi Akimoto, die ich nicht fotografieren darf, weil zeitgenössisch und modern und somit rechtlich geschützt. Klar ist: Die westlichen Kunstwerke im Museum stinken gegen ihre japanische Konkurrenz komplett ab – zu kitschig, zu langweilig und wahrscheinlich auch nur aus billigem Plastik.



Viele denken, es handele sich hier um einen Hahn, dabei ist das ein echter Storch:



Mein anschließender Versuch, in das EKŌ-Haus zu kommen, erweist sich leider als Fehlschlag: Eine drei Kilometer lange Schlange macht jede Hoffnung auf einen rechtzeitigen Eintritt zunichte. Was schade ist, weil die Fahrt dahin vom Keramikmuseum aus immerhin eine halbe Stunde gedauert hat. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wird angekündigt, dass Japan, eigentlich Ehrengast heute, seine Teilnahme an dem Spektakel abgesagt hat und zuhause im Pazifik verbleiben wird – wegen plötzlicher Krankheit.


Nach meinem obligatorischen alljährlichen Dreier mit zwei Dakimakura – der eine halbe Stunde dauert – trete ich den Heimweg an, bevor das sich schon am Horizont abzeichnende Unwetter über die Stadt ergießt. Diesmal nehme ich den Zug und erneut wird deutlich, dass der Geist des Japan-Tages nicht überall herrscht: Der Zug hat drei Stunden Verspätung, was in Japan undenkbar wäre.


Eine halbe Stunde später bin ich endlich zu Hause, und gelobe feierlich, nächstes Jahr nicht nur zwei, sondern gleich drei Dakimakura aufzureißen. Glücklich und zufrieden schlafe ich eine halbe Stunde später ein.

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