B-Side Meltan ...

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Münster – eine hässliche Nazi-Hochburg, in der das Laster blüht und alle unfreundlich zueinander sind, ist diese Stadt sicher nicht. Tatsächlich ist es dort ganz schön. Wie auch immer, ich war letzten Samstag dort.


Die Reise beginnt wie üblich damit, früh aufzustehen, damit ich meinen blöden Zug erwische. Nach drei Stunden und viermal umsteigen komme ich übermüdet in der „schönsten Stadt Westfalens“ an und gähne erst einmal ausgiebig. Die Zeit während der Fahrt hatte ich mir damit vertrieben, endlich mal Dracula zu lesen (Spoiler: Er stirbt) – ein Kontrast zur christlichen Prägung, die hier immer noch zu spüren ist? Wie dem auch sei, es ist kurz vor elf Uhr, und somit beginnt gleich mal wieder die Zeitspanne vom Pokémon-GO-Community-Day, bei dem es diesmal Endivie zu fangen gibt. Allerdings spawnt gerade ein Pokémon, das ich noch nie gesehen habe – und eigentlich habe ich jedes Pokémon schon einmal gesehen. Ich bin ziemlich gehypt, gehe direkt in den Kampf und setze natürlich eine silberne Sanana ein, um das mysteriöse Vieh zu fangen. Es gelingt, das Ding verwandelt sich aber in ein Ditto. Ich google mal verwirrt ein bisschen herum und stelle fest, dass das gerade nicht einmal etwas Besonderes, sondern Teil einer Promoaktion für ein neues Pokémon war. So eine Scheiße. Für mich steht bereits eins fest: Dieses Pokémon ist jetzt aber nun endgültig der Beweis, dass Game Freak oder wer auch immer hinter der Entwicklung neuer Pokémon steckt, die Ideen ausgegangen sind. Ich hatte das schon damals gesagt, als man mit Ho-Oh einen schlechten Lavados-Klon herausgebracht hatte, aber nun haben wir also ein Pokémon, bei dem man einfach das Auge von Pikachu (vielleicht auch von Teddiursa, bin nicht ganz sicher) in ein hohles Drittel von Wadribie gesteckt, das Ganze auf ein silbernes Lichtel gesetzt und anschließend noch den Schwanz eines Yanma drangehängt hat. Vollkommen fernab jeglicher Kreativität, damit ist der Niedergang von Pokémon nun aber zweifelsfrei besiegelt. Niedlich ist es trotzdem.



Wat?


Münster ist – wie hinlänglich festgestellt – eine schöne Stadt mit einigen sehr malerischen Plätzen und Gebäuden. Auch sind die Menschen hier alle meistens freundlich und zuvorkommend. Auf meiner heutigen Reise werde ich jedoch leider nicht die Aufgabe bewältigen, einen dieser mit einem handgeschriebenen Hinweisschild versehenen Parkplätze zu finden, der laut der Schildaufschrift bitte für einen Umzug freigehalten werden soll und dann von den Leuten auch tatsächlich freigehalten wird. In meiner Stadt wäre das undenkbar, jeder würde eiskalt dort parken. Vermutlich ist es auch den vielen freundlichen und weltoffenen Menschen hier zu verdanken, dass einerseits die Rechtspopulisten zuverlässig an der 5%-Hürde scheitern und andererseits nicht so viel Müll auf den Straßen herumliegt.



Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ihr euren Müll einfach in die Gewässer schmeißt, ihr verdammten Umweltschweine


Die kreisfreie Stadt gilt zudem als ein Ort mit ungewöhnlich hoher BB-Mitgliedsdichte. Jedes Jahr wird hier eines der bedeutendsten Forentreffen abgehalten. Während ich nun so durch die Straßen laufe, besuche ich Häuser von prominenten Usern, mache Fotos und schmeiße je nach Person eine Briefbombe in den dafür vorgesehenen Kasten. Einen kurzen Moment überlege ich, die Fakultäten für Informatik und Klassische Archäologie an der hiesigen Universität zu besuchen, verwerfe den Gedanken aber. Die beiden werden von meinen Leuten sowieso 24 Stunden am Tag überwacht, physisch wie virtuell. Am Ende würden ja ohnehin nur alle in Panik geraten, weil ein gruseliger Zwei-Meter-Mann mit Hinkebein und riesiger Gesichtsnarbe nach ihnen gefragt hat. Das muss man auch nicht jedem antun. Während ich weiterlaufe, kommt mir allerdings rein zufällig eine Userin entgegen, die ich von einem ihrer Galeriebilder erkenne. Ich nicke ihr freundlich zu, lächele und sage „Hallo“. Sie guckt irritiert und wechselt grußlos die Straßenseite. Bitch. Ich entschließe mich, ihr eine kurze Zeit zu folgen, damit ich ihr wieder entfolgen kann.


Laut meinen Informationen trifft sich hier die Elite des BB


Natürlich bin ich nicht nur nach Münster gekommen, um ein paar Endivie zu fangen – das hätte ich ja auch zuhause haben können – und nebenbei das BB daran zu erinnern, dass ich weiß, wo es wohnt. Eigentlich will ich ja nur Schwester und Schwager besuchen, oder vielmehr Nicht-Schwager, weil die Ehe ehrlich gesagt überholt ist, aber das alliteriert nun einmal nicht so schön. Zudem passen die beiden das Wochenende über auf ein Kind einer meiner anderen Schwestern auf (die, die letztens für einen Kitaplatz protestierte) und so kann ich auch mal wieder meine Nichte wiedersehen, sofern ich mich an den Weg zur Wohnung meiner Schwester erinnere, was ich nicht tue. Aber wenn ich Google Maps aufrufe, um die Route zu suchen, kann ich nicht mehr Pokémon GO zocken – ein echtes Dilemma. Letzten Endes entscheide ich mich dafür, mich einfach mal wieder von der Macht leiten zu lassen.


Eine Stunde später stelle ich zufrieden fest, dass sich von der Macht leiten zu lassen eine Scheißidee war – bin halt doch kein Jedi. Oder Sith. Oder Dathomirhexe. Oder Aing-Tii. Außerdem trage ich gewohnheitsmäßig einen Ysalamir mit mir rum. Aber im Ernst jetzt, ich habe keine Ahnung, wo zum Geier ich gerade bin - alles, was ich weiß, ist, dass hier irgendwie relativ viele Elektek spawnen; hier muss irgendwo ein Nest sein - und außerdem muss ich aufs Klo. Dringend. Und da es Münster ist, kann ich ja nicht einfach ins Gebüsch pissen. In Hagen oder Dortmund wäre das vielleicht gegangen, aber doch nicht hier! Also suche ich nach einer öffentlichen Toilette.



Endlich - eine auch optisch ansprechende Erlösung von langen und furchtbaren Qualen


Nach einer weiteren Stunde habe ich die Wohnung meiner Schwester gefunden, aber es ist niemand da. Wieso auch? Ich schreibe ihr eine Nachricht, wo zur Hölle sie, ihr Lebensabschnittsgefährte und unsere Nichte gerade sind. Dreißig Minuten später habe ich immer noch keine Nachricht erhalten – der Community-Day ist übrigens vorbei – und entscheide mich dafür, mich anders zu beschäftigen, bis Schwesterherz mal auf ihr Handy guckt.



Wo gibt's noch Qualität wie diese?


Es liegt nun zwei (oder war's doch nur eins?) Jahre zurück, dass ich hier diesen einen Radiokurs gemacht habe. Damals wollte ich ja eigentlich - das war meiner erste Idee für ein Thema - jemanden von der Gerichtsmedizin in Münster interviewen und das Ganze als eine Art Tatort-Faktencheck aufziehen – schließlich ist der Tatort aus Münster der quotenstärkste, oder war es zumindest mal, bis er den Zuschauern zu albern wurde. Nur hatte bei der Gerichtsmedizin keiner Zeit für ein Interview. Außerdem wollten mir die Säcke von der ARD nicht erlauben, einen Teil der Tatort-Musik als Intro für meinen Beitrag zu verwenden. Und dafür zahle ich Rundfunkgebühren. Wie dem auch sei, das war beides eine Niederlage auf der ganzen Linie, aber letztlich nicht so schlimm, weil ich damals mit dem B-Side-Festival ohnehin etwas, viel, viel Besseres gefunden hatte. Und wie es der Zufall will, ist dieses Festival dieses Jahr wieder – um präziser zu sein, genau heute.



Ich bin hier schon einmal auf einem Gitter über das Wasser gelaufen - es war saukalt und tat an den Füßen weh


Das B-Side-Projekt, zu dem auch das Festival gehört, hat die Schaffung eines gemeinnützigen, nichtkommerziellen Kulturzentrums zum Ziel, in der Absicht, Künstlern und Kreativen einen (bezahlbaren) Raum zu geben. Ist mir natürlich grundsätzlich sympathisch, und wenn ich mit meinem wahrscheinlich noch sehr amateurhaften Radiobeitrag, den ich im Rahmen meines Kurses damals erstellt habe, irgendwie darauf aufmerksam und somit irgendwas dazu beitragen konnte, umso besser. Auch wenn ich weder in Münster wohne noch Künstler bin. Ich wohne nämlich ganz bestimmt und definitiv woanders und bin nur Kleinkünstler, noch dazu einer, der sich hauptsächlich destruktiv betätigt und andere, wirklich künstlerische Existenzen aus purem Neid vernichtet.


So oder so würde ich mir gerne nochmal das Festival ansehen. Dummerweise – ein wiederkehrendes Problem – weiß ich den Weg nicht. Es war irgendwo in der Nähe des Hafens, glaube ich …



Aber welche Straße führt Richtung Hafen?


Da mir einfällt, dass der Community-Day vorbei und Pokémon GO somit wieder langweilig ist, öffne ich Google Maps und bin somit bald am Hansaring, mithin also dem Bereich, wo das Festival stattfindet. Viel ist allerdings noch nicht los, weil es erst gegen Abend richtig losgeht. Also setze ich mich erst einmal irgendwo rein und esse einen Burger, weil mir der Magen langsam in den Kniekehlen hängt.



Schau, Mami! Ich bin jetzt ein Foodblogger!


Wieder draußen auf der Straße passiert etwas, womit ich nicht gerechnet habe: Ich sehe ein älteres Ehepaar, das ich damals vor zwei Jahren gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen interviewt hatte. Ich werde nie vergessen, wie der Mann am zweiten Tag „Oh Gott, nicht Sie schon wieder“ gesagt hat. Und das mir, der ich damals immer zwei Minuten mentaler Vorbereitung gebraucht hatte, um überhaupt den Mut zu finden, jemanden anzuquatschen. Dummerweise habe ich gerade kein Mikrophon dabei, also gehe ich stattdessen mit erhobenem Smartphone auf die beiden zu und beginne: „Hallo, ich mache einen Beitrag fürs Radio und …“ Weiter komme ich schon gar nicht. „Oh Gott!“, ruft der Mann aus. „Sie! Sie sind das!“ Ich nicke und füge fies grinsend hinzu: „Der Geist der vergangenen Weihnacht.“ Das Pärchen flieht und wird dabei von einem Rad angefahren.



Netter Versuch ...


Endlich Nachricht von meiner Schwester: Sie seien jetzt zuhause. Ich seufze und suche mir mit entsprechender App eine Busverbindung. Eine halbe Stunde später stehe ich endlich in ihrer Wohnung und stelle fest, dass es jetzt offenbar meine Aufgabe ist, mit unserer Nichte zu spielen, während Schwester und Schwager pennen wollen. Ziemlich arschig, aber dafür darf ich auch zum Abendessen bleiben. Eigentlich wollte ich zurück auf das Festival, aber als überschüchterner Einzelner von außerhalb ist es vielleicht auch nicht so lustig und außerdem hat es zu regnen begonnen, zumal ich sowieso abends wieder meine Rückreise antreten muss. Insofern darf ich nun also die Eule und den Albatros spielen, während meine Nichte das Einhorn und den Pinguin hat. Alles fliegende Tiere, die Eier legen. Im Übrigen zeigt sich hier mal wieder die klassische Paradoxie, unter der Eltern seit Jahrtausenden zu leiden haben: Kleine Kinder werden meistens umso aufgedrehter, je müder sie sind und nicht etwa ruhiger, was ein echtes Problem darstellt. Beim Spielen empört sich meine Nichte darüber, dass der Albatros kein „Spaßvogel“ sei und ich schöpfe Hoffnung für ihre humoristische Zukunft.



Meine schlimmste Angst überhaupt: Menschen


Der Rest des Tages geht langweilig zu Ende. Wir essen Pizza zum Abendessen – aber nicht etwa geile Pizza aus einer geilen Pizzeria oder eine mit richtig geilem selbstgemachten Teig. Stattdessen welche, die mit einem dieser Pizzakits hergestellt und selbst belegt wurde – quasi das faulste selbstgemachte Gericht, das existiert. Da kann man es eigentlich auch ganz bleiben lassen. Nach dieser absolut enttäuschenden Mahlzeit fahre ich zum Bahnhof und steige in meinen Zug nach Hause ein. Voraussichtlich werde ich um 23 Uhr ankommen, aber schon bald wird sich ebenso voraussichtlich wohl alles um zwei Stunden verspäten - auf die deutsch Bahn ist Verlass. Wäre ich nur zu Hause geblieben, oder vielleicht noch besser gleich in Münster. Da ist es wenigstens schön.



In den Hinterhöfen werden nicht einmal Drogen, sondern gebrauchte Sachen und vegane Bolognese vertickt