Never stop!! Hibari-chan!

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In den frühen Achtzigern gab es in der Weekly Shonen Jump einen Manga, der nicht nur von einer Yakuza-Familie, sondern auch noch von deren trans Tochter gehandelt hat. Nachdem ich zufällig darauf gestoßen war, musste ich mir Stop!! Hibari-kun! unbedingt durchlesen. Immerhin sind das ungefähr zwei meiner Lieblingsthemen in Geschichten und die Kombi konnte ich mir nicht entgehen lassen!



Worum geht's?


Der Romance-Comedy-Manga wurde von Hisashi Eguchi verfasst und lief von Oktober 1981 bis November 1983. Die Geschichte handelt vom Jungen Kosaku, der nach dem Tod seiner alleinerziehenden Mutter zu einem ihrer Jugendfreunde nach Tokyo zieht. Dieser stellt sich als örtlicher Yakuza-Boss heraus. Er hat vier Töchter, von denen die zweitjüngste, Hibari, trans ist. Während das den Yakuza-Vater hauptsächlich stört, weil er einen männlich lebenden Nachfolger braucht, dreht sich die Handlung im Großteil um die potentielle Liebe zwischen Hibari und Kosaku.

Kosaku (links) und Hibari (rechts)


In den meisten Kapiteln tauchen andere Yakuza-Leute auf und machen Probleme, oder es geht um den Schulalltag und die verrückten Abenteuer, die Hibari und Kosaku dabei erleben. Immer wieder gibt es potentielle Dreiecksbeziehungen, z.B. als eine lesbische Volleyball-Spielerin sich in Hibari verliebt.
Da das Werk 40 Jahre alt ist, war ich sehr neugierig, wie mit den Themen Sexualität und Geschlechtsidentität darin umgegangen würde. Aufgrund des Alters bin ich aber natürlich nicht mit übermäßig hohen Erwartungen an den Text herangegangen. In den letzten Jahrzehnten gab es einfach extrem viele Quantensprünge, was den gesellschaftlichen Konsens bei diesen Themen betrifft.
Also, als Warnung an alle, die den Manga potentiell auch lesen wollen: Viele der Gags im Manga sind stark veraltet und auch die Sprache, mit der Hibari beschrieben wird, ist absolut nicht mehr zeitgemäß. Ich weiß nicht, wie verbreitet das Thema um trans Identitäten damals in Japan war, aber im Manga bezeichnen die Figuren Hibari eigentlich ausschließlich als Crossdresser oder schwulen Jungen, anstatt als trans Mädchen, obwohl sie das definitiv ist.



Der Umgang mit Queerness


Dafür, dass die Geschichte 40 Jahre alt ist, fand ich den Umgang mit bestimmten Themen dann aber ziemlich interessant. In der Yakuza-Familie selbst sind die Lager bezüglich Hibaris Identität gespalten: Der Vater will wie oben erwähnt einen männlichen Nachfolger, von den drei anderen Schwestern findet eine Hibari als Mädchen toll, einer ist es egal und eine steht dem ganzen eher negativ gegenüber. Und der zugezogene Kosaku hat die ganze Zeit über den Zwiespalt, dass er Hibari süß findet, aber sie als Jungen betrachtet und das verarbeiten muss. Im Laufe der Geschichte gewöhnen sich alle Figuren mehr und mehr daran, dass Hibari ein trans Mädchen ist und helfen ihr auch mehrmals, ihre Identität geheim zu halten. Da der Manga damals abrupt abgebrochen wurde, ist die Geschichte allerdings nicht zu Ende erzählt und es gibt keine klare Auflösung.
Hibari selbst wird eigentlich durchgehend positiv dargestellt. Sie ist in der Schule beliebt und kann sich als Yakuza-Tochter auch im Umgang mit anderen Verbrecher:innen beweisen. Zudem interessant fand ich, dass der Mangaka sich beim Zeichnen von Hibari immer besonders viel Mühe gegeben hat. Da es ein Gag-Manga ist, treten viele der Figuren oft stark vereinfacht oder mit ins Absurde verzerrten Gesichtern auf, aber bei Hibari werden kaum Details weggelassen. Auch als gegen Ende der Geschichte noch ein trans Junge, Gekijirou, auftaucht, fand ich den dort für ihn verwendeten Zeichenstil extrem cool und zum Charakter passend.


Gekijirou weint blutige Tränen, weil Dragon Ball erst ein Jahr später das Licht der Welt erblicken wird. :biggrin:


Um bei ihm zu bleiben: Gekijirou ist vom Aussehen der Prototyp eines damaligen heißblütigen Shonen-Protagonisten. Gleich bei seinem ersten Auftritt flippt er in einem Meta-Moment total aus, weil zum Anfang der Achtziger Romantic-Comedy-Mangas (wie Stop!! Hibari-kun! selbst einer ist) extrem beliebt waren. Der Zeichenstil passt in dem Fall also perfekt zum Charakter und er wird eben als fast noch männlicher als viele der Yakuza-Mitglieder dargestellt.


Das allerletzte Panel des Mangas :crying:


Was mir gut gefallen hat, war auch der Schuldirektor, der nur ein paar Mal kurz aufgetaucht ist, aber nie ein Problem damit hatte, trans Schüler:innen als ihr passendes Geschlecht in die Schule zu lassen und darüber nicht nur Stillschweigen bewahrt, sondern, es ist ihm sogar komplett egal.
Auch die Familie einer weiteren queeren Figur, der lesbischen Volleyball-Spielerin Jun, ist extrem aufgeschlossen.


Das ist übrigens Juns theaterspielende Mutter, die auch daheim method-acting-mäßig im Kostüm umherläuft


Ich fand es super-witzig, dass die Mama das größte Problem darin sah, dass ihre Tochter nicht das Mädchen ihrer Träume abbekommen konnte (Jun war auch in Hibari verliebt), aber niemals in ihrer Sexualität.

Ich weiß nicht, wie es damals war, aber im Manga selbst scheint es, als waren die USA queeren Themen damals aufgeschlossener als Japan. Zumindest behaupten einige Figuren das mehrmals, wenn es in der Geschichte um das Thema geht. Allgemein fand ich es spannend, wie das sich konstant entwickelnde Thema Queerness auch manchmal ein wenig Meta aufgenommen wurde. Die Titelseite eines Kapitels zum Beispiel zeigt beispielsweise Hibari neben Boy George, einen Musiker, der für seinen androgynen Look bekannt ist.




Die Yakuza als abweichende Gesellschaftsform


Ein anderes Thema des Mangas, das sich mit gesellschaftlicher Abweichung befasst, ist der Yakuza-Part. Die ganze Familie von Hibari ist ja ein Verbrecher-Klan und unterscheidet sich als solche aufgrund ihres Lebenswandels und den Personen, mit denen sie verkehren, von Durchschnittsfamilien.
Genau wie Hibari als liebenswertes trans Mädchen wird dieses Verbrecher-Millieu auch als im Grunde liebenswerter und verrückter Haufen, der stets zusammenhält, dargestellt. Es ist zu keinem Zeitpunkt etwas schlechtes oder verwerfliches, dass sie kriminell sind. Allgemein ist es dem Familienvater wichtig, die Yakuza wie einen familiären Betrieb zu führen.
Dies wird besonders in einigen Kapiteln deutlich, die von einer dreifachen Veranstaltung handeln: Weihnachten, der Geburtstag der jüngsten Tochter und ein buddhistisches Ritual zum zehnten Todestag der Familienmutter sind alle am gleichen Tag und werden als eine Hybrid-Veranstaltung abgehalten (was auch im Manga explizit nochmal erwähnt wird). Verstärkt wird das ganze noch dadurch, dass die Familie dazu so ziemlich alle Figuren des Mangas einlädt, inklusive Personen, mit denen die Figuren eher Rivalitäten oder Feindschaften haben.
Auch wenn der Manga wie gesagt an vielen Stellen veraltet ist, hat mir diese im Kern sehr inklusive und aufgeschlossene Botschaft sehr gut gefallen. :saint::bigheart:



Fazit


Als Kind seiner Zeit betrachtet, fand ich den Manga an vielen Stellen überraschend progressiv und auch unterhaltsam. Viele der Running Gags nutzen sich eher schnell ab, aber gerade die regelmäßig auftretenden neuen Figuren halten den Manga während der 53 Kapitel doch ziemlich unterhaltsam (für mich). Die Vermischung von queeren Themen und dem Yakuza-Hintergrund der Familie ist so ein Ding, was wahrscheinlich nur fünf Menschen auf der Welt zu schätzen wissen, aber dadurch wird mir Stopp!! Hibari-kun! auf jeden Fall noch lange in Erinnerung bleiben. :smile: