Here we are now, entertain us

Das Internet. Ein Raum voller digitaler Möglichkeiten. Ein Raum, in dem sich jeder Mensch so zeigen kann, wie er in tief im Innersten sein möchte. Ein Raum, in dem physische Distanzen keine Rolle spielen, denn wir alle sind Hier. Ein Raum, in dem manche aufblühen können zu einer Blume virtueller Schönheit, die in der "realen" Welt niemals existieren könnte. In dem es einige Ausnahmetalente zu Ruhm und Ansehen bringen können, die durch den gesamten Cyberspace strahlen.

Viele träumen von einem Leben als erfolgreiche*r Blogger*in, malen sich in strahlenden Farben eine Zukunft aus, in der ihre Worte Scharen von bewundernden Fans anziehen, auf dass sie sich in deren Aufmerksamkeit sonnen mögen.


Aber heute möchte ich mal über etwas sprechen, das in unserer bunten Medienwelt gerne unter den Teppich gekehrt wird: Die dunkle Seite des Erfolges. Meine Fans kennen mich als witzigen, kreativen Menschen, der tiefgründige Themen mit Hingabe und Enthusiasmus angeht, aber niemals ohne ein Augenzwinkern. Das ist allerdings nur die eine Seite der Medaille.

So ein Blogpost kommt vielleicht locker-flockig daher, aber hinter jedem einzelnen stecken Schweiß, Blut und Tränen. Ihr macht euch keine Vorstellung davon. Manchmal liege ich nachts wach und denke mir "Was, um Himmels Willen, soll ich nur in meinen nächsten Blogpost schreiben?" Da ist immer die Angst, dass mir die Ideen ausgehen könnten, dass diese sprudelnde Quelle der Schaffenskraft in meinem Innern versiegt. Da sind die turmhohen Erwartungen. Ich habe in der Vergangenheit - das kann ich ohne falsche Bescheidenheit sagen - Meisterwerke geschaffen, aber das bedeutet natürlich auch, dass die Leute nichts mehr anderes akzeptieren. Du kannst in schweißtreibender Schwerstarbeit nach Silben graben und Wörter zusammenklauben, mit chirurgischer Präzision Satz an Satz fügen, mit der Sprachmelodie spielen wie eine vierarmige Konzertpianistin auf einem Flügel, und es wird einfach als selbstverständlich hingenommen, deine makellose Prosa hastig verschlungen von den ewig hungrigen Massen. Aber schreib einmal etwas, das vielleicht nicht ganz deinem üblichen Niveau entspricht, und schon heißt es "Tss, Project Mew hat aber auch ganz schön nachgelassen".

Und nicht zu vergessen die zentnerschwere Last der Verantwortung. Wenn man ein so großes Publikum hat, dann hat man eine gewisse Vorbildfunktion. Man darf sich keinen Ausrutscher erlauben. Wenn du dich wie ein Rowdy benimmst, könnte vielleicht ein junger, leicht beeinflussbarer Mensch glauben, dass das ein Maß für richtiges Verhalten darstellt, dass es "cool" wäre, das nachzumachen. Vielleicht denken sich Menschen, nachdem sie meinen Blog gelesen haben, es sei okay, andere mit schockierenden Bildern zu konfrontieren, weil ich einmal diese Collage gepostet habe. Heutzutage würde ich das nicht mehr so unbekümmert tun.

Es gibt Tage, da wünschte ich, ich hätte diesen Blog nie begonnen, und würde immer noch mein ruhiges, beschauliches Leben in meinem kleinen Winkel des Internets führen. Kein Ruhm, kein Glanz, nein. Aber eben auch nicht diesen unbarmherzigen Druck der öffentlichen Wahrnehmung.


Aber dann wird mir klar, dass ich im Grunde nicht wirklich eine andere Wahl hatte. Ich hätte mich nie mit einem mittelmäßigen Leben zufriedengeben können. Ich habe immer nach etwas Größerem gestrebt, ich musste raus in die Welt, musste diese Ideen teilen, die in mir wuchsen, musste mir vielleicht auch irgendetwas beweisen. Es ist ein hartes Leben, das ich für mich gewählt habe, eines, das mich an jedem einzelnen Tag erbarmungslos fordert. Aber vielleicht ist es das einzig Richtige für mich, trotz allem.

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