Maut – Macht – Mensch: Andreas Scheuer zieht die Handbremse an

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Wie kaum ein anderer hielt er die Verkehrspolitik auf Frontalkurs, jetzt zieht er sich aus der Bundespolitik zurück: Mit Andreas Scheuer geht ein politischer Zwölftonner. Ein Rückblick.


Es ist ein kalter Montag im Januar, als die Nachricht die Republik erschüttert: Andreas Scheuer (CSU) verkündet, bundespolitisch ein paar Gänge zurückzuschalten – alle, um ganz genau zu sein. Die Ankündigung ist überraschend, kommt für viele als Schock. Seit Jahren galt Scheuer als der Kitt, der nicht nur die CSU, sondern auch ganz Deutschland zusammenhielt, er war der Motor der Innovation, niemand gab bei wichtigen Themen so viel Gas wie er. Als Verkehrsminister im berühmt-berüchtigten Kabinett Merkel IV sollte er politische Geschichte schreiben.


Doch davor folgte eine schulische Ausbildung mit anschließendem Studium. Der politischen Tradition in Deutschland entsprechend erlangte Scheuer einen Doktorgrad, wenn auch – bescheiden, wie Scheuer stets war – einen „kleinen“, den sogenannten „PhDr.“, einen Titel, den es so heute schon gar nicht mehr gibt. Wie es Brauch war, wurden 2014 Plagiatsvorwürfe gegen Scheuer erhoben, die sich jedoch nicht erhärteten. Der politische Gegner hatte früh erkannt, was Scheuer für ein politisches Schwergewicht werden würde, und seinen ersten Zug gemacht. Scheuers Gelassenheit im Umgang mit diesen Vorwürfen sollte auch Jahre später noch sein Markenzeichen sein.


Zu dem Zeitpunkt der Vorwürfe war Scheuer bereits seit einem Jahr CSU-Generalsekretär gewesen und hatte die Anfänge seiner politischen Karriere durchlaufen. Seine Entscheidung, in die CSU einzutreten, war von seinen Autovorlieben beeinflusst worden: Seit jeher hatte Scheuer eine Schwäche für Oldtimer, die er in der CSU in Massen zu finden hoffte. Moralische Unterstützung hatte Scheuer stets von seiner Frau erhalten, der Liebe seines Lebens, von der er sich 2011 hatte scheiden lassen. Zwei Jahre später, im Jahr seines Antritts als CSU-Generalsekretär, heiratete er eine TV-Journalistin. Sie war wirklich „die Eine“, eine Gefährtin für das Leben, die Scheuer treu beistand, während er die Gipfel der Politik erstürmte. Im Jahr 2018 erfolgte die Trennung, 2021 heiratete Scheuer Julia Reuss, ehemalige Büroleiterin seiner Parteikollegin Dorothee Problembär.


Scheuer nahm politisch kein Blatt vor den Mund, legte den Finger immer wieder in die Wunden der sich im Umbruch befindenden Bundesrepublik und riss sie gnadenlos weiter auf. Er, liebevoll von Kolleg*innen und Medien als „Scheuer-Schnauze“ bezeichnet, erkannte wie kein anderer, wo die Schwierigkeiten lagen, im Falle der Geflüchteten-Thematik nämlich bei „fußballspielenden, ministrierenden Senegalesen“. Schicksalsträchtige Worte, die im Regensburger Presseclub vom 15.9.2016 fielen und neue Maßstäbe setzten, nachdem Scheuer bereits die Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten in Thüringen als „Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland“ charakterisiert hatte. Gegen die Bezeichnung von Pegida-Demonstrationen als „Schande für Deutschland“, so erfolgt durch Heiko Maas (SPD), verwehrte Scheuer sich aufs Heftigste. Er war eben auch jemand, der die Sorgen der einfachen Bevölkerung ernst nahm, sofern es nur irgendwie um den Islam ging.


2018 übernahm Scheuer das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, was für niemanden überraschend kam: Schon lange war der junge Mann mit der coolen Brille und schnieken Frisur der Kanzlerin Merkel aufgefallen, die ihn folgerichtig darum bat, in ihrem vierten Kabinett mitzuarbeiten. Große Fußstapfen waren es, die Alexander Dobrindt hinterlassen hatte, und wer wäre besser geeignet, sie auszufüllen, als der junge dynamische Adonis aus Passau? Scheuer erbarmte sich und folgte dem Ruf nach Berlin, auch wenn er die Macht, die ihm aufgedrängt wurde, eigentlich nicht innehaben wollte. Tief in ihm drin wusste er aber eben auch, dass seine geballte Kompetenz essenziell für das Überleben der Republik war.


Kaum Minister geworden, verlor Scheuer keine Zeit: Allen Widerständen aus Politik, Wissenschaft und Bevölkerung entgegen setzte er die Pläne seines Vorgängers bezüglich einer PKW-Maut in Deutschland um, schloss Verträge mit Unternehmen ab, um endlich die Maut auf die Straße zu bringen. Doch der bayrische David hatte die Rechnung ohne den europäischen Goliath gemacht: Der Europäische Gerichtshof untersagte die Umsetzung der Maut. Ein schwerer Schlag für Scheuer, der sich jedoch nicht beirren ließ. Er versuchte, noch schnell über das Gleis zu fahren, bevor die Schranken der Bürokratie sich senkten, doch es war zu spät: Ein Zug mit Entschädigungsforderungen in Höhe von 560 Millionen Euro rammte ihn mit voller Wucht. Doch Scheuer wäre nicht Scheuer, wenn er davon ein Schleudertrauma davongetragen hätte. Mutig machte er Druck und erreichte, als er schon gar nicht mehr im Amt war, dass lediglich 243 Millionen Euro gezahlt werden mussten. Die Forderungen der Mautbetreiber auf fast die Hälfte zu senken – ein politischer Triumph, eine deutsche Erfolgsgeschichte, die ihm jedoch nicht angerechnet wurde. Die Rufe der die Straße kreuzenden Unken wurden immer lauter, forderten Konsequenzen und sogar, dass er vor Ablauf seiner Amtszeit zurücktreten sollte. Scheuer, politisch angeschlagen, erwies sich aber schließlich immer noch als unbesiegbar. Nicht nur brachte er sein Amt im Ministerium zielstrebig zu Ende, drückte sich also nicht vor der Verantwortung, die ihm übertragen worden war. Nein, nachdem die Ampel-Koalition die Regierung übernahm, gab Scheuer sogar bekannt, dass er trotz seiner guten und über alle Parteien hinweg anerkannten Arbeit keine Ambitionen hege, eine weitere Amtszeit im Ministerium zu übernehmen. Er machte bereitwillig Platz für seinen noch unerfahrenen, vier Jahre jüngeren älteren Nachvolker Wissing, dem er über Jahre noch ein wichtiger Ratgeber sein sollte.


Indes war Scheuer kein abgehobener Politiker, der nur in den ältesten und etablierten Kreisen der Politik verkehrte. Nein, wie er erfolgreich demonstrierte, verstand er die Sprache der Jugend, wusste auch, sie für Kampagnen einzusetzen. Noch heute hallt der Slogan „Looks like shit. But saves my life.“ in den Köpfen junger Menschen aus der Generation Z wieder. Der mittlerweile legendär gewordene Werbespruch war von Scheuer persönlich kreiert worden als Teil einer Aufklärungskampagne, die sich für das Tragen von Fahrradhelmen einsetzte. Scheuer hatte erkannt, wo das Problem lag: Fahrradhelme waren für die Jugend nicht sexy genug, machten einfach nicht geil, waren nicht An-, sondern Abturner. Scheuer, der das verstand, änderte im Handumdrehen dieses Image, indem er leicht bekleidete Models mit Fahrradhelmen posieren ließ. Die Aktion schlug ein wie eine Autobombe: Binnen kürzester Zeit erhöhte sich die Zahl der Fahrradhelm tragenden Jugendlichen um 42069%, nicht zuletzt deswegen, weil sie sie nun auch immer beim Vögeln aufhatten. Scheuer hatte quasi im Vorbeigehen einen ganz neuen Fetisch geschaffen, Fahrradhelme waren nun nicht mehr einfach nur ein Schutz vor Autos, die aus Versehen auf den einen halben Meter breiten Fahrradstreifen fuhren, sie waren vielmehr zu einem Symbol geworden, das stellvertretend für die sexuelle Freizügigkeit einer ganzen Generation stand.


Doch die Jahre forderten auch ihren Tribut, und somit ist es zwar ein Schock, aber letztlich nur folgerichtig, dass Scheuer die Bundespolitik im fortgeschrittenen Alter von 49 Jahren ruhen lässt. Auch hiermit schreibt er mal wieder Geschichte: So viele Politiker*innen überschritten ihren Zenit, verpassten den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg. Nicht so jedoch Andreas Scheuer.


Dieses Land hätte ihn noch viele weitere Jahre verdient, und doch: Die wohlverdiente Ruhe, die ihm nun hoffentlich zuteil wird, sei dem „Allmächtigen Andi“ von ganzem Herzen gegönnt.

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